Making of: Sonnenuntergang im Wattenmeer

Landschaftsfotografie im Wattenmeer bei Cuxhaven

Wenn ich mir gelungene Bilder anderer Fotografen anschaue, dann interessiert mich auch immer die Geschichte hinter dem Bild – sofern Angaben dazu vorhanden sind. Wie ist es entstanden? Welche Intention hatte der Fotograf? Wie hat er die Aufnahme technisch umgesetzt? Diese intensive Auseinandersetzung mit dem Bild hilft mir, mich fotografisch weiterzuentwickeln.

 

In diesem Artikel möchte ich deshalb einmal ausführlich die Entstehung eines meiner Bilder schildern. Ausgewählt habe ich den Sonnenuntergang im Wattenmeer, da dieses Bild bei Instagram besonders gut angekommen ist.

Vorbereitung

Das Wattenmeer ist für mich fotografisches Neuland. Deshalb lasse ich mich zunächst von der Google-Bildersuche, Instagram & Co. inspirieren. Auf den Bildern gefallen mir vor allem die Priele und die Strukturen im Watt. Da das dunkle Watt allein eher trist wirkt, möchte ich auf jeden Fall den Sonnenauf- oder -untergang mit im Bild haben.

 

Also suche ich unter Google Maps in der Satellitenansicht nach Prielen, die ich in Richtung der auf- oder untergehenden Sonne fotografieren kann, ohne irgendwelche Ablenkung im Bild zu haben. Bei der Suche beschränke ich mich auf den Umkreis von Cuxhaven. Dort müsste ich zum Sonnenaufgang Richtung Festland fotografieren. Ich möchte aber auch die Weite des Watts einfangen. Somit kommt nur der Sonnenuntergang in Frage.

 

Nun muss nur noch das richtige Datum gefunden werden. Für meine Bildidee brauche ich Ebbe. Anhand des Tidenkalenders suche ich deshalb ein freies Wochenende heraus, an dem Ebbe und Sonnenuntergang in etwa zusammenfallen.

 

Um mich vor Schnitten durch scharfkantige Muscheln zu schützen, kaufe ich vorab noch ein paar einfache Surfschuhe.

Vor Ort

Am 23.07.2021 stapfe ich abends im Watt zu dem Spot, der auf den Satellitenaufnahmen am vielversprechendsten ausgesehen hat. Hier gibt es mehrere Wasserläufe. Ich schaue mir die fotografischen Optionen an und achte darauf, mit meinen Fußspuren nicht ein mögliches Motiv zu ruinieren. Mein Ziel ist es, den Wasserlauf als führende Linie zu nutzen. Um die Weite und die Strukturen zu betonen, wähle ich eine kurze Brennweite von 22 mm und stelle das Stativ sehr niedrig ein.

 

Noch befindet sich eine dichte Wolkendecke vor der Sonne. Nach etwas Warten ist die Sonne aber schließlich so tief gesunken, dass sie unter den Wolken hervorsticht. Aufgrund des extremen Dynamikumfangs nutze ich einen Reverse-Grauverlaufsfilter 0.9, der die Sonne um 3 Blendenstufen abdunkelt. Um den Sonnenstern zu betonen, blende ich sehr stark ab und wähle f/22. Das ergibt bei ISO 100 eine Verschlusszeit von 1,3 Sekunden. Damit es beim Auslösen keine Verwacklungen gibt, nutze ich die Spiegelvorauslösung in Verbindung mit 3 Sekunden Auslöseverzögerung. 

Nachbearbeitung

Bei der Bildkomposition habe ich mich auf den Wasserlauf, die Strukturen und die Reflexionen konzentriert und dabei leider nicht bemerkt, dass die Sonne nicht ganz mittig im Bild war. Jetzt im Nachhinein stört mich das. Die Aufnahme wirkt dadurch nicht ausbalanciert. Deshalb schneide ich das Bild in Lightroom so zu, dass sich die Sonne mittig befindet.

 

Da ich in RAW fotografiert habe, muss ich die Aufnahme noch entwickeln. Ich passe also Weißabgleich, Lichter, Tiefen, Weiß- und Schwarzwerte an. Mit Hilfe des Verlaufsfilters erhöhe ich im Vordergrund Struktur und Kontrast. Außerdem betone ich mit dem Radialfilter die Reflexionen der Sonne im Schlick ein wenig. Über die HSL-Regler erhöhe ich noch minimal die Sättigung einzelner Farben. Dann schärfe ich das Bild und erzeuge abschließend noch eine leichte Vignette.

Raw-Datei und fertiges Bild im Direktvergleich

Planung und Zufall

Viele meiner Bilder basieren auf gründlicher Planung. Natürlich klappt das nicht immer so super, wie in diesem Fall. Oft genug passiert es, dass die Gegebenheiten vor Ort doch anders sind als erwartet oder dass das Wetter einfach nicht mitspielt. Dafür gibt es aber auch Momente, in denen sich durch Zufall tolle Fotomöglichkeiten ergeben, die so nicht geplant waren. Das Wichtigste ist also überhaupt mit der Kamera unterwegs zu sein, egal ob akribisch geplant oder ganz spontan.