Landschaftsfotografie in Norwegen

Mit offen stehendem Mund blicke ich in die Schlucht. Mehr als 180 Meter schießt das Wasser in die Tiefe. Landschaftsfotografie in Norwegen kann ziemlich spektakulär sein.

 

Ich war bereits einige Male in Norwegen, vor allem um Moschusochsen auf dem Dovrefjell zu fotografieren. Dieses Mal möchte ich mich auf die Landschaftsfotografie konzentrieren.

Voringsfossen

Anderthalb Tage Anreise mit dem Auto liegen hinter mir. Nun stehe ich auf der Aussichtsplattform des Voringsfossen, einem beeindruckenden Wasserfall westlich der Hardangervidda. Aber eigentlich ist es nicht der Wasserfall, der mich so fasziniert, sondern die Schlucht, in die er stürzt.

 

Ich habe mein 16-35/f4 weitwinkelmäßig mit 16 mm ausgereizt. Der durch den Wasserfall entstehende feine Wassernebel sorgt dafür, dass ich ständig die Linse trocken wischen muss. Die Sicht verändert sich im Minutentakt. Führt in einem Moment die herauskommende Sonne zu extremen Kontrasten, ist im nächsten Moment durch die vom Wind aufgewirbelte Gischt kaum etwas zu sehen.

Voringsfossen

Voringsfossen

Nikon D750 | Nikkor 16-35/4.0 | 16 mm | 1/60 Sek. | f/8 | ISO 100

Hier verbringe ich etliche Stunden - meist auf das richtige Licht wartend - und mache zahlreiche Aufnahmen, um mir später die besten Versionen aussuchen zu können. Am nächsten Tag geht es zum 250 Kilometer entfernten Jotunheimen Nationalpark.

Jotunheimen Nationalpark

Ich komme erst abends an der südöstlichen Grenze des Jotunheimen Nationalparks an und übernachte deshalb im Auto. Nachts wird es mit minus 2 Grad ganz schön kalt - Mitte September aber nichts Ungewöhnliches. Ich habe Glück und sehe sogar ein schwaches Nordlicht.

 

Am nächsten Morgen möchte ich über den Grat des 1.517 Meter hohen Knutshoe wandern und dann irgendwo in Gipfelnähe übernachten. So ist zumindest der Plan. Deshalb starte ich mit voller Camping- und Fotoausrüstung sowie Verpflegung und genug Wasser. Die Route ist offenbar sehr beliebt, denn es sind schon einige Wanderer unterwegs. Zwischen den Tagesausflüglern komme ich mir mit meinem riesigen Rucksack ziemlich fehl am Platz vor.

 

Der Weg führt kontinuierlich bergauf bis zu einer Stelle, wo man mehrere Meter über sehr steilen und nassen Fels klettern muss. Hier finde ich nur wenig Halt und der schwere, sperrige Rucksack bereitet mir große Probleme. Plötzlich komme ich weder vor noch zurück und bekomme Panik. Ein Absturz wäre hier zwar nicht lebensbedrohlich, aber ich könnte mich ordentlich verletzen. Meine Knie zittern. Schließlich kann ich mich beruhigen und wieder irgendwie zurückklettern. Daraufhin entschließe ich mich, den Pfad parallel zum Bergkamm durch das Tal Leirungsdalen zu nehmen und von der Rückseite ein Stück hinaufzuwandern, was besser klappt.

Jotunheimen, Leirungsdalen, Norwegen

Blick zurück ins Leirungsdalen, links der Grat des Knutshoe

Nikon D750 | Nikkor 16-35/4.0 | 32 mm | 1/10 Sek. | f/10 | ISO 100

Ich kann es kaum glauben, als mir auf der Rückseite vom Gipfel ein paar Teenies in Turnschuhen entgegenkommen. Die können doch nicht die gleiche Passage geklettert sein! Um mein Selbstbewusstsein wieder aufzubauen, rede ich mir ein, dass es noch eine andere Route geben muss...

 

Auf einer halbwegs ebenen Stelle errichte ich schließlich mein Zelt. Das Fjell um mich herum leuchtet in den schönsten Farben - perfekt für die Landschaftsfotografie. Deshalb liebe ich den Herbst in Norwegen, zumal die Mücken verschwunden sind und nachts schon Chancen auf Polarlichter bestehen. Die Aussicht hier ist grandios! Richtung Süden blicke ich zurück in das wunderschöne Leirungsdalen und Richtung Norden befindet sich der fjordähnlich wirkende, smaragdgrüne Gjendesee.

Jotunheimen, Gjendesee, Norwegen

Blick auf den Gjendesee

Nikon D750 | Nikkor 16-35/4.0 | 29 mm | 1/80 Sek. | f/11 | ISO 100 | aus mehreren Belichtungen zusammengefügtes HDR

Rondane Nationalpark

Nach dem Jotunheimen Nationalpark freue ich mich nun auf ein paar Tage im Rondane Nationalpark. Er liegt nur anderthalb Autostunden entfernt in nordöstlicher Richtung. Ich hatte vor dem Urlaub im Internet nach interessanten Motiven gesucht und meine Wanderroute entsprechend geplant. Als erstes geht es von dem Örtchen Mysuseter zum nahegelegenen Wasserfall Storulfossen.

 

Mit Kamera und Stativ laufe ich umher und probiere alle möglichen Perspektiven aus: von oben, von unten, mit Canyon, ohne Canyon, mit Weitwinkel, mit Tele usw. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die erste Aufnahme selten die Beste ist. Meistens entsteht ein interessantes Bild erst, wenn ich mich intensiv mit einem Motiv beschäftige und mir so mein Bild “erarbeite“.

 

Genauso wichtig ist der richtige Zeitpunkt. Da ich in der Nähe zelte, kann ich sowohl abends, als auch nachts und am nächsten Morgen fotografieren. Ich habe eigentlich auf einen tollen Sonnenuntergang gehofft, aber es regnet und ist nur grau in grau. Am nächsten Morgen scheint die Landschaft förmlich zu dampfen. Erst jetzt mache ich das Bild, welches mir am besten gefällt. Fazit: Ein gutes Bild entsteht nicht im Vorbeigehen.

Storulfossen, Rondane, Norwegen

Storulfossen

Nikon D750 | Nikkor 16-35/4.0 | 35 mm | 1/13 Sek. | f/11 | ISO 100 | Polfilter

Mein nächstes Motiv ist der Jutulhogget Canyon, den ich auch ausgiebig fotografiere. Noch besser gefällt mir aber der Imbertglupen Canyon - das letzte Ziel meiner Fototour. Das Wetter ist wechselhaft. Mal gibt es einen Schauer und dann scheint wieder die Sonne. Beste Bedingungen also für die Landschaftsfotografie. Als sich plötzlich ein Regenbogen bildet, muss es schnell gehen. Ich möchte nicht einfach nur den Regenbogen fotografieren, sondern versuche mich so zu positionieren, dass ich auch einen ansprechenden Vordergrund habe, getreu dem Motto „Vordergrund macht Bild gesund“. Nach hektischem Hin- und Herrennen ist das Bild im Kasten. Da soll nochmal einer behaupten, Landschaftsfotografie wäre entspannend.

Regenbogen, Rondane, Norwegen

Regenbogen über dem Imbertglupen Canyon

Nikon D750 | Nikkor 16-35/4.0 | 16 mm | 1/80 Sek. | f/10 | ISO 100

Nachdem ich den Imbertglupen wieder von verschiedenen Blickwinkeln aus fotografiert habe, entsteht nach dem Sonnenuntergang in der Blauen Stunde schließlich mein Lieblingsbild dieses Canyons. Die etwas düstere Stimmung passt meiner Ansicht nach ideal zu dem Motiv. Durch eine Belichtungszeit von 10 Sekunden wird das Wasser ganz weichgezeichnet und bildet dadurch einen schönen Kontrast zu dem zerklüfteten Fels. Mithilfe eines Polfilters reduziere ich die Reflexionen auf der Wasseroberfläche und erhöhe dadurch etwas die Farbsättigung.

Imbertglupen, Rondane, Norwegen

Imbertglupen Canyon

Nikon D750 | Nikkor 16-35/4.0 | 19 mm | 10 Sek. | f/10 | ISO 200 | Polfilter

Nach einem Tag Zwangspause aufgrund eines Wintereinbruchs mit 20 Zentimeter Schnee und enormen Schneeverwehungen, geht es am Tag darauf wieder zurück zum Auto und dann gen Heimat.

Fazit

Für Landschaftsfotografen bietet Norwegen zahlreiche spektakuläre Motive. Manche sind gut mit dem Auto anzufahren, andere erreicht man erst nach längeren Wanderungen. Der Herbst ist aufgrund der Fjellfärbung für mich die ideale Reisezeit. Mit wechselhaftem Wetter ist allerdings immer zu rechnen.